IDA Open Source Migration Guidelines

Von Dr. Julia Küng

Entsprechend der ständig steigenden Nachfrage auch von Seiten der öffentlichen Stellen, hat die Europäische Kommission nunmehr einen Leitfaden zum Umstieg auf Open Source Software publiziert. Die 148 Seiten umfassenden "IDA Open Source Migration Guidelines" wurden unter Anleitung von IT-Experten aus neun Ländern, namentlich Dänemark, Finnland, Italien, Deutschland, Malta, den Niederlanden, Spanien, Schweden und der Türkei entwickelt und haben zum Ziel, den europäischen Behörden Hilfestellung in der Entscheidung für und im Umstieg auf Open Source Software zu bieten.

Das Hauptaugenmerk des Leitfadens liegt weniger auf einer detaillierten technischen Anleitung als vielmehr auf der Sensibilisierung der Zuständigen dafür, welche Fragen im Vorfeld geklärt werden müssen, um in der Folge feststellen zu können, ob und wie weit eine Umstellung auf Open Source Software zum gegebenen Zeitpunkt sinnvoll und durchführbar ist, und Darstellungen, wie eine solche Umstellung vonstatten gehen könnte. Als Idealfall wird ein Umstellungsprozess erläutert, der im Wesentlichen folgendermaßen aufgebaut ist:
In einem ersten Schritt wird ein Team aus Personen mit dem entsprechenden Fachwissen gebildet, das sich der Unterstützung durch die Entscheidungsträger des Unternehmens zu versichern hat, da nur mit dieser ein erfolgreiches Projekt möglich ist. Dieses macht sich zuerst mit der Basisarchitektur ebenso wie mit Open Source Software vertraut. Dazu gehören sowohl die Klärung der gewünschten Open Source- Lizenzen, das Verstehen der Vor- und Nachteile der einzelnen Open Source-Produkte als auch das Festlegen der Ansprüche an die Distribution und das erforderliche Ausmaß des Supports.
Anschließend sind Details zu den bislang verwendeten Programmen zu erfassen (Name, Versionsnummer, Userzahl etc) und die bereits vorhandenen Daten nach verschiedenen Kriterien zu sortieren, so z.B. danach, ob sie in einem offenen Format gespeichert sind oder leicht in eines übertragen werden können oder ob die Speicherung in proprietären geschlossenen Formaten erfolgt ist, welche proprietäre Anwendungen weiterhin notwendig machen könnten.
Im nächsten Schritt werden die Sicherheitsanforderungen nach bestimmten im Leitfaden genannten Gesichtspunkten geprüft. Schließlich ist eine Kalkulation zu erstellen, in der die Kosten des bestehenden Systems mit jenen der Kosten alternativer Systeme einschließlich der Umstellungskosten, aber auch deren Stärken und Schwächen verglichen werden.
Nun ist es an der Zeit, die User über die Hintergründe der Umstellung sowie deren Auswirkung auf die Benutzer zu informieren und deren Fragen und Anliegen zu behandeln -- beispielsweise über die Einrichtung einer Beratungsstelle und/oder einer Intranetseite, auf der praktische Tipps und Anleitungen gegeben werden und vom User gegeben werden können. Es wird empfohlen, vor größeren Umstellungen Pilotprojekte von kleinem Ausmaß und mit einer geringen Anzahl von Usern in Angriff zu nehmen, um so noch detailliertere Daten und Erkenntnisse zu gewinnen und notwendige Planänderungen vornehmen zu können.
Hiernach ist die Geschwindigkeit der Umstellung zu bestimmen, wobei der Leitfaden anrät, den "big bang", also den Umstieg aller User auf das neue System am selben Tag, wenn irgendwie möglich zu vermeiden, die Umstellung eher gruppenweise durchzuführen und diese erst in weiterer Folge auf die gesamte Administration "auszurollen".
Es wird darauf hingewiesen, dass sich jederzeit herausstellen kann, dass eine Umstellung (derzeit) nicht durchführbar ist, weil zB wichtige Anwendungen in der OS-Umgebung nicht befriedigend funktionieren und die Kosten diese neu zu schreiben zu hoch wären. Für diesen Fall gibt der Leitfaden Hinweise, worauf zu achten ist, um in der Zukunft eine Umstellung zu erleichtern bzw. nicht zusätzlich zu erschweren. Auch muss nicht eine Gesamtumstellung erfolgen, sondern es werden Informationen zum Austausch von nur einzelnen Anwendungen geboten.
Neben der Beschreibung einer ausführlichen Reihe von Open Source-Programmen für verschiedenste Anforderungen (vom Betriebssystem über Office-Anwendungen, E-mail, Kalender etc) wird die Umstellung anhand von vier Szenarien (Windows, Unix, Mainframe, Thin client) veranschaulicht.
Der Blick in den Leitfaden sollte jedoch nicht nur einmalig erfolgen, da es sich bei diesem nicht um eine endgültige Version, sondern um ein "dynamisches Papier" handelt, dh die einzelnen Kapitel werden mit praktischen Erfahrungen bei Umstellungen ergänzt und aktualisiert und der Leitfaden wird möglicherweise um weitere Kapitel ergänzt werden.