Microsoft-Gutachten über Microsoft und Open Source Software

Von RA Olaf Koglin
 
Microsoft hat im Dezember die Ergebnisse zweier volkswirtschaftlicher Studien veröffentlicht, die das Muenster Institute for Computational Economics (MICE) der Universität Münster im Auftrag des Redmonder Softwareunternehmens erstellt hat. Die von Microsoft bezahlten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Microsoft gut für die deutsche Wirtschaft ist, Open Source Software hingegen volkswirtschaftlich wenig Sinn macht. Nach der im Auftrag des Verbandes der Softwareindustrie Deutschlands erstellten Studie über Rechtsfragen von Open Source Software (siehe hierzu die Nachricht der Woche vom 04.07.2003) setzt sich damit die Reihe von industriegesponsorten Universitätsgutachten fort.

Hintergrund:

Die Studie über "Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Microsoft Deutschland GmbH" ermittelt im wesentlichen die durch die Microsoft-Partnerprogramme erwirtschafteten Umsätze und die Mitarbeiterzahlen dieser Partner. Die zweite Studie ("Open Source-Software: Eine volkswirtschaftliche Bewertung") kommt nach der Pressemitteilung von Microsoft zu dem Ergebnis, dass Open Source Software "aus volkswirtschaftlicher Sicht keine geeignete Alternative zum kommerziellen Softwaremarkt darstellt." Daher solle der Staat Open Source Software nicht fördern.

In der Studie über Open Source Software wird der Begriff "kommerzielle Software" beinahe konsequent als Gegenbegriff zu Open Source Software benutzt. Der inzwischen anerkannte Begriff der proprietären Software wird hingegen vermieden. Die fehlende Differenzierung zwischen den gegensätzlichen Lizenzmodellen Open Source/proprietär und zwischen den verschiedenenen Vertriebsmodellen kostenlos/kommerziell verzerrt die gesamte Aussage der Studie. So heißt es auf S. 4 der Studie unter dem Titel "Nicht kostenlos, aber manchmal umsonst":

"Ist die Software unentgeltlich, so kann auch die in der Entwicklung eingesetzte Arbeit nicht direkt monetär entgolten werden. Die mangelnde Bepreisung des Endproduktes überträgt sich unmittelbar auf die vorgeschalteten Faktormärkte und setzt dort marktwirtschaftliche Lenkungsmechanismen außer Kraft. ... Gerade im Softwaresektor mit seinen hochqualifizierten Beschäftigten sollte die Ressourcenlenkung nach marktwirtschaftlichen, d. h. produktivitätsorientierten Kriterien erfolgen, um die volkswirtschaftlich knappe Ressource „Entwicklungskapazität“ nicht zu verschwenden."

Demnach sind also kostenlose Programme wie der Internet Explorer oder der Windows Media Player volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, weshalb deren Verwendung vom Staat nicht gefördert werden sollte. Angesichts der Marktdurchdringung des kostenlosen Microsoft-Browsers wirken die weiteren Ausführungen der Studie zu kostenloser Software wie Hohn: "Es können daher viele Entwickler an Programmen arbeiten, die niemand haben will ... . Selbst die weite Verbreitung eines ... Produktes ist kein zuverlässiger Indikator für eine geglückte Ressourcenlenkung, da sie keinen Anhaltspunkt darüber gibt, ob der Einsatz der Entwicklungskapazität für ein alternatives Produkt zu einer höheren Befriedigung der Kundenbedürfnisse beigetragen hätte (mangelnde Transparenz der Opportunitätskosten)." (a.a.O.)

Inhaltlich lässt die Studie langfristige und strategische volkswirtschaftliche Bewertungen außer Acht. So ist der Grund für die Migration von Windows zu Linux häufig die Löslösung von Abhängigkeiten und weniger der Preis (vgl. Nachricht der Woche vom 08.12.2003). Daher hat sich die Stadt München für Open Source entschieden, obwohl hiermit zunächst höhere Kosten als mit der proprietären Alternative verbunden sind, jedoch langfristig eine freie Lösung sparsamer und zukunftssicherer ist. Vernachlässigt wurde in der Studie auch die höhere Sicherheit von Open Source Software, die ebenfalls volkswirtschaftlichen Wert hat und unter anderem zur staatlichen Förderung eines Projekts führte, mit dem das als unsicher geltende Verschlüsselungsprogramm PGP durch das freie GPG ersetzt wurde.

Im Gegensatz zu der zitierten Pressemitteilung ist das Gutachten bezüglich der staatlichen Förderung von Open Source Software etwas moderater und besagt lediglich, dass dies kein Instrument der Wettbewerbspolitik sein sollte. Als Instrument der inneren Sicherheit oder aus anderen Gründen erscheint eine solche Förderung demnach legitim. Die Wettbewerbspolitik solle hingegen den Kartellämtern überlassen werden (S. 7 der Studie). Ob dies ein Seitenhieb hinsichtlich der Erfahrungen ist, die Microsoft durch den Vertrieb seines Internet Explorers mit dem US-amerikanischen Kartellrecht gemacht, bleibt offen.