Microsoft: Freund oder Feind?

Von Till Kreutzer
 
Derzeit versucht Microsoft zwei seiner so genannten "Shared-Source-Lizenzen" bei der Open Source Initiative (OSI) als offiziell anerkannte Open-Source-Lizenzen zertifizieren zu lassen. Die OSI soll nun prüfen, ob die Lizenzen den strengen Anforderungen der Open Source Definition entsprechen. Auf der OSI-Mailingliste wird der Zertifizierungsantrag kontrovers diskutiert.

Hintergrund:

Der Zertifizierungsantrag betrifft die Microsoft Permissive License (MS-PL) sowie die Microsoft Community License (MS-CL). Beide Lizenzen wurden an die OSI im HTML-Format übermittelt. Die Redmonder haben die formalen Bedingungen für eine Überprüfung erfüllt und insbesondere dargelegt, inwiefern die beiden Lizenzen ihrer Ansicht nach Neuerungen gegenüber bereits zertifizierten Lizenzen enthalten. Die Lizenzen wurden nunmehr auf der OSI-Mailingliste zur Diskussion gestellt.

Ob die OSI die Microsoft-Lizenzen letztlich zertifiziert, ist immerhin fraglich. Die Initiative hat schon vor Jahren angekündigt, gegen die Flut neuer Open-Source-Lizenzen ankämpfen zu wollen. Als Begründung werden die zunehmenden Lizenzinkompatibilitäten genannt, die dazu führen, dass Code, der unter verschiedenen Freien Softwarelizenzen steht, nicht ohne weiteres kombiniert werden kann. Bereits 2004 hat die Organisation ein Komitee gegründet, das die Probleme untersuchen soll, die aus der starken Vermehrung verfügbarer Lizenzen entstehen, untersuchen und Vorschläge für deren Lösung unterbreiten soll. Das "Licence Proliferation Project" hat 2006 einen vorläufigen Bericht vorgelegt, in dem eine große Anzahl von Lizenzen aufgeführt ist, die zum Beispiel mit populäreren Lizenzen identisch oder die nur für sehr spezielle Einsatzzwecke geeignet sind. Mit anderen Worten: Die OSI ist mit Zertifizierungen äußerst zurückhaltend geworden. Neue Lizenzen werden nur zertifiziert, wenn sie einen Mehrwert gegenüber bereits anerkannten Lizenzen bieten.

Für eine positive Entscheidung dürfte sprechen, dass die Free Software Foundation (FSF) die MS-PL und die MS-CL Medienberichten zufolge bereits im Jahr 2005 als mit der Free Software Definition kompatibel erklärt. Die Anforderungen der FSF-Definition sind mit denen der OSI-Definition inhaltlich identisch. Ein Garant für die OSI-Zertifizierung ist dies dennoch nicht. Denn ob eine Lizenz der Open Source oder der Free Software Definition entspricht, ist eine Sache. Ob sie darüber hinaus jedoch die Open Source Welt bereichert, wie die OSI für die Zertifizierung verlangt, ist eine andere.

Wie unterschiedlich die Zertifizierungsfrage angesichts dieser "harten und weichen Faktoren" gesehen werden kann, spiegelt die Diskussion auf der OSI-Mailingliste wider. So forderte Chris DiBona, der das Open-Source-Programm bei Google leitet, Microsoft auf, zu erklären, ob man zukünftig den irreführenden Begriff der "Shared Source" vermeiden und es unterlassen werde, falsche Informationen über Freie Software zu verbreiten oder die Community mit Patenten zu bedrohen. Ansonsten solle die OSI die Zertifizierung verweigern. Andere Kommentatoren begrüßen den Zertifizierungsantrag und erklären die Microsoft-Lizenzen für vollständig kompatibel mit der Open Source Definition.

Die Auseinandersetzung auf der Mailingliste verdeutlicht, dass der Zertifizierungsantrag von Microsoft nicht zuletzt ein Politikum ist. Vor diesem Hintergrund wird sich die OSI die Entscheidung sicherlich nicht leicht machen (können). Lehnt sie die Zertifizierung ab, würde die Entscheidung als Zugeständnis für die Microsoft-Gegner gewertet. Akzeptiert sie, hieße das, den von manchen zum größten Feind von Open Source erklärten Software-Konzern offiziell in die Community aufzunehmen. Ratsam ist sicherlich, sich bei der Entscheidung allein an objektiven Faktoren zu orientieren. Denn nach Ziffer 5 der Open Source Definition dürfen Open Source Lizenzen niemanden diskriminieren. Ein solches Diskriminierungsverbot sollte auch für die Zertifizierungsentscheidungen gelten.