Die GPL vor den französischen Gerichten

Von Benjamin Roger
 
Verletzungen der GPL könnten demnächst auch in Frankreich die Gerichte beschäftigen. Die FSF France hat mit Schreiben vom 14. November 2007 den Internet Service Provider Free aufgefordert (französisch), binnen eines Monats die Bedingungen der Lizenz einzuhalten. Andernfalls hat sie sich den Klageweg vorbehalten. Sachverständige hatten unter der Aufsicht eines Gerichtsvollziehers festgestellt, dass auf dem Router „Freebox“ die GPL-Software iptables eingesetzt wird, an welcher der Entwickler Harald Welte die Rechte hält. Entgegen Ziffer 3 GPL stellt Free dabei nicht den entsprechenden Sourcecode zur Verfügung. Ein entscheidender Schritt in Richtung der gerichtlichen Durchsetzung wurde bereits im Frühjahr getan, als ein Pariser Gericht Bestimmungen der GPL angewandt, mithin ihre Gültigkeit anerkannt hat.

Hintergrund:

Free, das sich bereits im vorigen Jahr ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sah, bestreitet den Einsatz von iptables nicht. Ziffer 3 der GPL sei aber nicht einschlägig, weil man die Firmware der Freebox nicht im Sinne der Lizenz „verbreite“ (distribute; vgl. dazu GPL-Kommentar, Ziffer 1, Rn. 22 ff.): Free verkauft seine Router nicht, sondern stellt sie für die Dauer des Vertrags zur Verfügung und betrachtet sie als Teil seiner Netzinfrastruktur. Doch dürfte es darauf nicht ankommen, wenn das Gerät dem Kunden zur Nutzung übergeben wird; insbesondere kann die Nutzung eines Routers in den eigenen vier Wänden kaum als Remote-Zugriff betrachtet werden (vgl. dazu Nachricht der Woche vom 26.11.2007).

Mit Urteil vom 28. März 2007 hat das Tribunal de grande instance de Paris (entsprechend einem Landgericht, das in erster Instanz entscheidet) einen wichtigen Präzedenzfall für die gerichtliche Durchsetzung der GPL geschaffen, indem es Bestimmungen dieser Lizenz angewandt hat. Eine Anzahl von Forschungsinstituten hatten der Firma Educafix für maximal 150 000 Euro die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Programm Baghera eingeräumt, das der Ausbildung über Netzwerk und Internet dient. Um seinen Zweck zu erfüllen, benötigt Baghera das Paket JATLite, welches von der Universität Stanford unter der GPL lizenziert wird. Dieser Umstand war den Parteien beim Vertragsschluss bewusst; beide gingen davon aus, dass die Verbreitung von Baghera in Verbindung mit JATLite insgesamt den Bedingungen der GPL unterfällt, weil die Programmteile von Baghera nicht „vernünftigerweise als unabhängige und eigenständige Werke an sich zu betrachten“ seien (Ziffer 2 GPL, Kommentierung). Damit wäre die vertraglich vorgesehene exklusive Nutzung durch die Klägerin unmöglich, denn im Falle des Vertriebs müsste sie jedermann eine gebührenfreie Lizenz unter der GPL gewähren. Als Lösung wurde erwogen, dass die Forschungseinrichtungen JATLite durch eine eigene Entwicklung ersetzen. Diese Möglichkeit hat Educafix nicht wahrgenommen. Stattdessen hat das Unternehmen später auf Vertragsauflösung und Schadensersatz in Höhe von einer Million Euro geklagt, weil die Erfüllung des Vertrags unmöglich sei.

Zur Entscheidung des Streits hatte das Gericht damit inzident zu beurteilen, ob die Bestimmungen der GPL die exklusive Nutzung von Baghera durch die Klägerin, und damit die Durchführung des Vertrags, unmöglich machten. Wie selbstverständlich ist es dabei von der Gültigkeit der GPL ausgegangen. Anhand eines Sachverständigengutachtens befand das Gericht, dass Baghera nicht „vernünftigerweise als unabhängig“ betrachtet werden könne und daher ein von JATLite abgeleitetes Werk sei. Die Parteien hätten JATLite durch eine Eigenentwicklung ersetzen oder eine von dem Urheber eine besondere Lizenz beantragen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei die Erfüllung unmöglich. Aus diesem Grund hob das Gericht den Vertrag auf, wies allerdings die Schadensersatzforderung der Klägerin als unbegründet zurück.