Bundeswirtschaftsministerium: Beirat veröffentlicht Gutachten zur "Wettbewerbspolitik für den Cyberspace"

Von Carsten Schulz
 
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat im August ein Gutachten mit dem Titel "Wettbewerbspolitik für den Cyberspace" veröffentlicht. Das mit hochrangigen Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlern besetzte Gremium kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Internet-Wirtschaft "zum Teil tiefgreifende Veränderungen" in der Anwendungspraxis der Kartellbehörden und Kartellgerichte notwendig mache. So müsse zum Beispiel bei der Marktabgrenzung auch potenzieller Wettbewerb durch neue Produkte berücksichtigt werden. Dies sei insbesondere auch eine Folge der zentralen Bedeutung von Innovation für den Wettbewerb auf vielen Internet-Märkten. Auf Märkten mit schnellen Produktzyklen gehe der eigentliche Wettbewerbsdruck nicht vom aktuellen oder potentiellen Wettbewerb "auf demselben Markt" aus. Entscheidend sei vielmehr die begründete Erwartung, dass das Produkt alsbald durch ein attraktiveres Substitut abgelöst werde. Auf solchen Märkten gebe es im Regelfall gar keinen nachstoßenden Wettbewerb mehr. Wer das Produkt als erster herausbringe, bekomme den ganzen Markt. Die Wettbewerber konzentrierten sich gleich darauf, ihn mit der nächsten Produktgeneration zu überflügeln. Der Markt befinde sich im beständigen Ungleichgewicht. An die Stelle des Wettbewerbs im Markt trete der Wettbewerb um den Markt.

Hintergrund:
Die Studie enthält aufbauend auf einer umfassenden Untersuchung der Eigenheiten der Internetökonomie (u.a. Senkung der Transaktionskosten, Netzwerkvorteile, Innovationsdynamik, Abgrenzung von Markt und Unternehmung) eine bemerkenswerte Analyse im Hinblick auf eine wirksame und sachgerechte Anpassung tradierter wettbewerbspolitischer Instrumente. Möglichkeiten der Marktstrukturkontrolle und der Missbrauchskontrolle werden untersucht.
Interessant - und letztlich der Grund für die Meldung im ifrOSS-Ticker - ist, dass das insgesamt sehr lesenswerte Gutachten auch Stellung zu den wettbewerbsrechtlichen Folgen einer Zuordnung von Verfügungsrechten an Immaterialgütern bezieht:
Durch die neuen technischen Möglichkeiten zur Sicherung elektronischer Produkte habe sich die Aufgabenverteilung zwischen Recht und Technik geändert. In der Vergangenheit sei der Urheber ohne die Hilfe der Rechtsordnung weitgehend schutzlos gewesen, da Dritte das Werk ohne großen Aufwand vervielfältigen und dadurch die geistige Leistung des Urhebers selbst gewerblich nutzen konnten. Um das zu verhindern, habe der Gesetzgeber dem Urheber das exklusive Nutzungsrecht an seinem Werk zugeordnet. Er erhielt ein Monopolrecht auf Zeit, das er durch die Vergabe von Lizenzen zu Geld machen konnte. Dieses Ausschließlichkeitsrecht sei aber nie absolut gewesen. Einerseits sei stets allein das Werk, nicht aber die Ideen, auf denen es beruhte, geschützt gewesen. Andererseits habe es stets eine Reihe von Einschränkungen dieser Rechte (Privatkopie, Zitatrecht, etc.) gegeben. Solche Einschränkungen seien dem Gesetzgeber leicht gefallen, da der Urheber ja vollständig in seiner Hand gewesen sei.
Diese Situation habe sich grundlegend geändert. Der Urheber könne sich zwar immer noch auf den Schutz der Rechtsordnung verlassen, er könne aber auch zur technischen Selbsthilfe greifen. Der Rechtsordnung wachse damit möglicherweise eine neue Aufgabe zu. Der Gesetzgeber könne aufgerufen sein, den Urheber an einem unbegrenzten Schutz seiner Verfügungsrechte zu hindern. Dafür bestünden grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die erste setze bereits bei der Ausgestaltung der Verfügungsrechte an, die zweite erst bei deren Gebrauch. Im ersten Falle würde die Rechtsordnung dem Urheber unmittelbar Grenzen für die private Aufrichtung und Durchsetzung von Verfügungsrechten ziehen. Im zweiten Falle würde sie den Urheber nur an einem privaten Schutz seiner Verfügungsrechte hindern, der ihn zugleich gegen Wettbewerb abschirme.