Bundesgerichtshof zum Fortbestand von Lizenzrechten

von: Stefan Labesius

Mit seinem Urteil vom 19. Juli 2012 (Az. I ZR 70/10 – M2Trade) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Gelegenheit genutzt, wesentliche Fragen zum Fortbestand von Lizenzrechten für das Immaterialgüterrecht zu beantworten. Gegenstand des Verfahrens war im Kern einerseits die Frage zum Verhältnis von urheberrechtlichem Nutzungsrecht und dem zugrunde liegenden Lizenzvertrag sowie andererseits die Frage der Abhängigkeit von Hauptlizenz und einer etwaigen Unterlizenz. Damit verknüpft war  - andererseits - die Frage, welche Ansprüche der Hauptlizenzgeber gegen den Hauptlizenznehmer auf Grund einer wirksamen Unterlizenzierung geltend machen kann, wenn die Hauptlizenz weggefallen ist. 

Klägerin im entschiedenen Rechtsstreit war die Inhaberin der ausschließlichen Rechte an einer Software, die ursprünglich von dieser an eine Konzerngesellschaft lizenziert worden war. Diese Konzerngesellschaft lizenzierte die Software nun innerhalb des Konzerns an weitere Gesellschaften u. a. auch die Beklagte. Im weiteren Verlauf kündigte die Klägerin den Hauptlizenzvertrag aufgrund ausstehender Lizenzzahlungen. Die Klägerin nahm nun die zwischenzeitlich insolvente Beklagte in Anspruch, da aus ihrer Sicht mit dem Wegfall des Hauptlizenzvertrages auch die Beklagte kein Nutzungsrecht an der Software mehr besaß.

Rückfall der Lizenz bei Beendigung des Lizenzvertrages

Die Frage des Rückfalls des Nutzungsrechts bei Beendigung des Lizenzvertrages ist zwar mittlerweile in der rechtswissenschaftlichen Literatur zugunsten eines Lizenzrückfalls bei Vertragsbeendigung geklärt, aber nicht zwingend. Denn grundsätzlich sind die Einräumung des Nutzungsrechts als solchem (Verfügungsgeschäft) und der Lizenzvertrag als Verpflichtungsgeschäft getrennt voneinander zu betrachten. Dementsprechend hatte der BGH in einer älteren Entscheidung (BGHZ 27, 90, 95 f. – Die Privatsekretärin) den automatischen Rückfall des Nutzungsrechts bei Beendigung des Verpflichtungsgeschäfts verneint. Daher sah sich das Gericht veranlasst, zu dieser Frage Stellung zu beziehen und sich ausdrücklich der allgemein vertretenen Auffassung anzuschließen, dass bei Beendigung des Lizenzvertrages das Nutzungsrecht an den Lizenzgeber zurückfällt, sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben. Daher dürfte ein automatischer  Rechterückfall im Regelfall anzunehmen sein und auch für den Fall gelten, dass der Hauptlizenzgeber in die Insolvenz fällt und der Insolvenzverwalter den Hauptlizenzvertrag nach § 103 InsO anficht.

Begründet wird diese Bindung des Fortbestandes des Nutzungsrechts an den Lizenzvertrag zum einen mit der sog. Zweckübertragungslehre (§ 31 Abs. 5 UrhG). Danach werden im Zweifel nur diejenigen Rechte eingeräumt, die für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich sind. Zum anderen folgt die Abhängigkeit des Nutzungsrechts aus der Besonderheit des Immaterialgüterechts, dass der Inhalt des eingeräumten Rechts erst durch den zugrunde liegenden Lizenzvertrag bestimmt wird. 

Fortbestand von Unterlizenzen

Daran anschließend musste geklärt werden, welche Auswirkungen der Wegfall des Nutzungsrechts auf ein davon abgeleitetes Nutzungsrecht hat – ob also auch etwaige Unterlizenzen zurückfallen oder bestehen bleiben. Diese Frage hatte der BGH vor einiger Zeit in der Entscheidung „Reifen Progressiv“ (Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 153/06) dahingehend entschieden, dass ein einfaches abgeleitetes Nutzungsrecht gegen ein einmaliges Entgelt, nicht erlischt, wenn das Nutzungsrecht früherer Stufe aufgrund eines wirksamen Rückrufs durch den Urheber wegen Nichtausübung (vgl. § 41 UrhGNachricht der Woche vom 7. September 2009) erlischt. Diesen Gedanken überträgt der BGH nun auch auf die Fälle, in denen der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Lizenzentgeltzahlung einräumt und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt. 

Offen bleibt damit zunächst die Frage, ob eine einfache Unterlizenz auch dann bestehen bleibt, wenn sie – wie in der Regel bei Open Source Lizenzen – unentgeltlich eingeräumt wird. Jedoch aus der vom BGH gegebenen Begründung sowie der Interessenlage der Beteiligten dürfte sich für unentgeltlich eingeräumte Unterlizenzen nichts anderes ergeben. So stellt der BGH zum einen entscheidend auf den Grundsatz des Sukzessionsschutzes für Nutzungsrechte bzw. Lizenzen ab (vgl. § 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs.5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs 3. GebrMG), wonach eine erteilte Lizenz auch bei einem Wechsel des Lizenzgebers bestehen bleibt. Diese Regelungen treffen allerdings keinerlei Differenzierungen hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Lizenzierungen. Zum anderen ist das Interesse des Hauptlizenzgebers nicht höher zu bewerten, wenn er einer unentgeltlichen Lizenzierung zugestimmt hat und damit auf eine Amortisation seiner Investitionen durch eine Lizenzgebühr keinen Wert legt. Denn wenn schon bei einer fortlaufenden Lizenzvergütung das Interesse des Unterlizenznehmers höher bewertet wird als das des Hauptlizenzgebers, muss dies erst recht  bei einer unentgeltlichen Gestattung der Unterlizenzierung durch die Hauptlizenz gelten, unabhängig davon, ob die Hauptlizenz selbst entgeltlich erteilt worden ist oder nicht. Damit dürfte auch im Hinblick auf Open Source Lizenzierungen die Entscheidung für einige Rechtssicherheit sorgen. So dürften  Inhaber einer abgeleiteten einfachen Unterlizenz nicht befürchten, dieses Recht zu verlieren, wenn die Inhaberschaft der Hauptlizenz, von dem sich diese Lizenz abgeleitet, wechselt oder endet. 

Etwas anderes gilt aber, wenn eine einfache Lizenz direkt vom Inhaber des ausschließlichen Rechts erworben wird (so z. B. bei  GPL-Lizenzen). Hier besteht – soweit die Lizenzeinräumung deutschem Recht unterliegt – grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Rechtsinhaber den Lizenzvertrag aufhebt, wobei sich dann die Frage stellt, nach welchen Regelungen eine solche Aufhebung des Verpflichtungsgeschäfts erfolgt. Aus praktischer Sicht dürfte es wohl auch den Rechtsinhaber vor die nahezu unlösbare Herausforderung  stellen, eine unüberschaubare Anzahl von Lizenzverträgen nachträglich aufzuheben.

Rechte des Hauptlizenzgebers

Tragende Argumentation des BGH dafür, dass das Interesse des Unterlizenznehmers das des Hauptlizenzgebers überwiegt, ist der Hinweis, dass der Hauptlizenzgeber sich im Hinblick auf die Lizenzvergütung des Unterlizenznehmers an den Hauptlizenznehmer halten kann. Da dieser die Lizenzvergütung auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt hat, kann der Hauptlizenzgeber die Herausgabe des Erlangten, also die Abtretung der Lizenzvergütungsansprüche im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung vom Hauptlizenznehmer verlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB). Dies gilt aber freilich nur, soweit überhaupt noch Lizenzvergütungsansprüche gegen den Unterlizenznehmer bestehen, die abgetreten werden können. Ist eine vereinbarte Einmalzahlung bereits geleistet oder sogar eine unentgeltliche Lizenzierung vereinbart, geht dieser bereicherungsrechtliche Anspruch des Hauptlizenzgebers ins Leere. Auch ergibt sich eine Reihe von Folgefragen. So ist darüber hinaus denkbar, dass als Gegenleistung nicht nur Lizenzentgelte sondern Kreuzlizenzierungen oder anderweitige Vergütungsregelungen getroffen werden und dementsprechend ebenfalls abgetreten werden müssten. Zudem tritt der Hauptlizenznehmer nicht in den Unterlizenzvertrag ein sondern hat lediglich die Möglichkeit, die Vergütungsansprüche an sich abtreten zu lassen. Gleichwohl kann aber er ein großes Interesse an der Ausübung von Nebenansprüchen oder von vertraglichen Gestaltungsrechten besitzen.

 

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