BMJ-Konferenz zur Zukunft des Urheberrechts - neue Wege und verbissene Grabenkämpfe

Von Dr. Till Jaeger
 
Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat am 7. und 8. Mai 2009 eine internationale Konferenz zu dem Thema "Die Zukunft des Urheberrechts - Was ist der richtige Schutz?" veranstaltet, zu der zahlreiche Teilnehmer aus dem In- und Ausland geladen waren, darunter auch Vertreter des ifrOSS. Die Einführung in das Thema gab Bundesministerin Brigitte Zypries persönlich. Nach zwei Keynotes von dem Juristen Prof. Reto Hilty, dem Direktor des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, und dem Ökonomen Prof. Dietmar Harhoff vom Institut für Innovationsforschung, Technologiemanagement und Entrepreneurship wurde auf zwei Podiumsdiskussionen über die Themen "Wissenswirtschaft" und "Unterhaltungswirtschaft" gestritten. Den Abschluss bildeten Ausblicke auf die weitere Entwicklung des Urheberrechts von Dr. Francis Gurry, dem Generaldirektor der WIPO, Tilman Lüder, dem Leiter des Referats Urheberrecht bei der Europäischen Kommission und dem Europaabgeordneten Jacques Toubon.

Hintergrund:

Trotz mehrerer Urheberrechtsnovellen und aktiver Gesetzgebungstätigkeit auf europäischer Ebene ist das Urheberrecht weiterhin im Fluss. Die grundlegenden Änderungen, die durch die digitale Technik und das Internet ausgelöst wurden, haben die alten Strukturen erheblich durcheinandergewirbelt. Nachdem der Fokus zunächst darauf lag, den Rechteinhabern eine starke Stellung zu verschaffen, die ihnen auch unter den neuen Rahmenbedingungen die einfache Durchsetzung urheberrechtlicher Positionen ermöglicht, nimmt seit einiger Zeit die Kritik an einer Schieflage des Urheberrechts zu. So wird gerade aus der Wissenschaftsgesellschaft die fehlende Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse in dem auf die Unterhaltungsindustrie abgestimmten Urheberrecht bemängelt. Weiterhin wird vor den aktuellen Entwicklungen wie dem "Google Book Settlement" oder der unproblematischen Downloadmöglichkeit von Musik auf YouTube deutlich, dass die bisherige Verschärfung der Verbotsrechte nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt.

Die Bundesjustizministerin verwies in ihrer Eröffnungsansprache ebenfalls auf die Unterschiede von Unterhaltungs- und Wissenschaftsindustrie und wünschte sich eine lebhafte Diskussion über Themen wie Open Access, die Frage, ob ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage erforderlich ist, eine Kulturflatrate, die Regulierung im Internet und mögliche Änderungen der internationalen und europäischen Vorgaben.

Prof. Hilty legte eine überzeugende Analyse der aktuellen strukturellen Probleme im deutschen Urheberrecht vor und ging dabei insbesondere auf das Problem der Schutzdauerverlängerung (vgl. aktuellen Richtlinienentwurf dazu) und die klassische Auslegung des Drei-Stufen Tests ein. Dazu wurde erst unlängst eine "Declaration on a Balanced Interpretation of the "Three-Step-Test" in Copyright Law" von zahlreichen Rechtswissenschaftlern unterzeichnet. Er kritisierte dabei scharf die geplante Schutzrechtsverlängerungsinitiative auf EU-Ebene und betonte, das das Urheberrecht auch Allgemeininteressen dienen müsse.

Prof. Harhoff forderte aus ökonomischer Sicht eine Ausdifferenzierung der Schutzrechtssysteme für unterschiedliche Werkarten. Er hält z.B. eine Schutzdauer von 5 - 30 Jahren für volkswirtschaftlich wünschenswert - bei einem optimalen Ausgleich der Interessen der Allgemeinheit und der Rechteinhaber. Zu den Thesen Harhoffs gehört es auch, dass Open Source- und Creative Commons-Lizenzen echte Wertschöpfungsbeiträge lieferten und Open Access eine positive Rolle spielen könne. Insoweit fehle aber noch der empirische Nachweis, dass Open Access wirklich Kostenersparnisse und einen schnelleren Zugang bewirken könne.

In den folgenden Diskussionen standen zahlreiche Aspekte des Urheberrechts kontrovers im Blickfeld, darunter das Thema der Wahrnehmungsgesellschaften in Europa, verwaiste Werke, der Umgang mit dem Google-Book-Settlement und der Einfluss der Telekommunikationsindustrie. Dabei zeigte sich immer wieder - angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Urheberrechts für Deutschland und Europa nicht verwunderlich - dass es neue urheberrechtliche Modelle sehr schwer haben und die Verteilungskämpfe verbissen geführt werden. Insofern wird der Wunsch von Jacques Toubon, man möge verhandeln und aufeinander zugehen, um einen Krieg zum Schaden aller zu vermeiden, wohl ungehört verhallen.